Die Kathedrale des Lichts by Ruben Laurin

Die Kathedrale des Lichts by Ruben Laurin

Autor:Ruben Laurin [Laurin, Ruben]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-7517-0281-2
Herausgeber: beHEARTBEAT
veröffentlicht: 2020-09-30T00:00:00+00:00


Endlich musste der unverschämte Franzose von ihrer Seite weichen, der Herr Vater hatte ihn zu sich ans Taufbecken befohlen, um den Bauplan zu halten. Als hätte er gespürt, wie unwohl sie sich neben ihm fühlte. Helena atmete auf.

Statt dem Reisebericht des Erzbischofs zu lauschen, hatte ihr der Bildhauer französische Worte ins Ohr geflüstert. Worte eines Dichters seiner Heimat, wie er ihr anschließend erklärte. Und dann übersetzte er die Verse auch noch: Dein Blütenduft weist mir, dem Schmetterling, den Weg, du schöne Rose. Deiner Schönheit Duft berauscht mich. O dass du mir gestattetest, auf dir zu ruh’n und mich zu sättigen an deinem Nektar.

So ungefähr. Helena sog scharf die Luft durch die Nase ein. Schöne Verse, gewiss. Sie blickte auf ihre Schuhspitzen und presste die Lippen zusammen. Aber wie unverschämt, sie ihr ins Ohr zu flüstern! Noch dazu in Gegenwart des Erzbischofs und so vieler geistlicher Herren. Helena spürte den Zorn in sich hochsteigen.

Wollte dieser Bildhauer ihr denn allen Ernstes den Hof machen? Wusste er denn nicht, dass der Ritter Ansgar erst gestern wieder beim Vater um ihre Hand angehalten hatte? Und dass ihm zumindest ihr Jawort so gut wie sicher war?

Helena hatte längst dafür gesorgt, dass man auf der Baustelle bald darüber sprechen würde. Und nicht lange danach auch auf dem Marktplatz. Was, bei allen Heiligen, wollte dieser Franzose von ihr? Sie nahm sich vor, ihn zur Rede zu stellen.

Zweimal tief durchgeatmet, und weg mit dem Zorn. Sie hob den Blick.

Und schaute dem Wenden ins Gesicht.

Der stand auf der anderen Seite des alten Taufbeckens in der letzten Reihe neben dem Schmied. Sie erkannte ihn kaum wieder, denn er trug keinen Bart mehr. Selbst die Kopfhaut schien er sich kahl geschoren zu haben. Helena wollte seinem Blick ausweichen, doch plötzlich fiel ihr ein, dass sie in der vergangenen Nacht von ihm geträumt hatte. Von seiner kraftvollen Umarmung, von seinem Kuss. So unerwartet überfiel sie die Erinnerung, dass sie vergaß wegzuschauen.

Wie er guckte. Scheu und schuldbewusst. Und irgendwie traurig. Einem wie ihm war das charmante Lächeln eines Ansgars fremd. Und das selbstgewisse Schmunzeln eines Gottharts sowieso. War er nicht im Grunde ein guter Kerl, dieser Wende? Und ehrlich dazu. Wenn sie ihrem Vater glauben wollte, sogar ein außergewöhnlich guter Bildhauer.

Helena nickte ihm zu, lächelte ein wenig dabei. Sollte er ruhig wissen, dass sie seine Entschuldigung angenommen hatte. Sie wandte den Blick von ihm ab und richtete ihre Aufmerksamkeit auf den Vater und den Erzbischof. Die sprachen über den Einbau der alten Schätze aus der Brandruine.

»Das Taufbecken muss einmal hier stehen.« Der Erzbischof deutete auf den Plan. »Man muss darauf zugehen, wenn man unsere Kathedrale einst durch das geplante Westportal betritt. Nur das Sakrament der Heiligen Taufe berechtigt dazu, die Kathedrale des Lichts zu betreten. Und mit ihr das neue Jerusalem. Daran muss das Taufbecken jeden Eintretenden mahnen.«

»Dann schlage ich vor, die alten Säulen am heiligsten Ort der Kathedrale aufzustellen, Eure Hochwürdigste Exzellenz, dort, wo auch der große Kaiser Otto ruht.« Nun deutete der Herr Vater auf den Bauplan. »Hier. Im Chor, und zwar hinter dem Hochaltar und vor der Innenseite des Chorumganges und der künftigen Chorempore.



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